... gründete nach einigen Jahren bei IBM und der Promotion an der Technischen Universität München die RETIT GmbH. Seine Firma unterstützt Unternehmen dabei, ihre Softwaresysteme performanter und nachhaltiger zu gestalten. 2023 wurde er als Professor an die Hochschule München berufen. Er lehrt und forscht in den Schwerpunktthemen verteilte Systeme, Software Performance Engineering und Green Software Engineering. In den neu geschaffenen Möglichkeiten wie dem Promotionsrecht für Hochschulen und den Gründungsfreisemestern sieht er erhebliches Potenzial für zusätzliche Gründungen.
Autor: Stefan H. Poleck
Wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens?
Das Thema Performance bzw. Effizienz von Softwaresystemen begleitet mich schon meine ganze Berufslaufbahn. Ich habe nach meinem Studium zunächst einige Jahre bei IBM an Softwaresystemen für Großkonzerne gearbeitet und hier war der nötige Ressourceneinsatz, um ein System für große Nutzermengen effizient zu betreiben immer ein wesentliches Thema. Als ich dann die Gelegenheit bekam, an dem neu gegründeten An-Institut fortiss der TU München zu dem Thema ein Team aufzubauen und praxisnah zu promovieren habe ich die Chance sofort ergriffen. Am Ende meiner Promotion habe ich dann auf Basis meiner Forschungsergebnisse eine Software entwickelt, die Unternehmen hilft, den Ressourcenbedarf ihrer eigenen Softwaresysteme besser zu verstehen und zu optimieren. Diese Software legte die Basis für die Gründung der RETIT GmbH, RETIT steht dabei für „Resource Efficient Technologies & IT Systems“.
Was waren Ihre ersten Schritte?
Die wichtigste Entscheidung war zunächst, ob die Firma auf Basis von externem Kapital oder durch „Bootstrapping“, also eigenen Umsatz, entwickelt wird. Nach den ersten Gesprächen mit Investoren und ersten Startup-Events wurde mir klar, dass Bootstrapping der richtige Weg für das Unternehmen ist, da es nur so wirklich eigenständig bleibt.
Was hat Ihnen geholfen?
Geholfen hat mir am Anfang, dass ich bereits einige Jahre Berufserfahrung vor der Gründung hatte. Ich war den Umgang mit Kunden gewohnt und konnte daher schnell erste Projekte akquirieren. Weiterhin war es für ein so junges Unternehmen großes Glück, dass ich gleich nach der Gründung zwei meiner ehemaligen Studenten, die an der TU München ihre Abschlussarbeit bei mir geschrieben haben, als erste Mitarbeiter gewinnen konnte.
Was waren Ihre größten Herausforderungen?
Durch die Entscheidung für das Bootstrapping war die Balance zwischen Kundenprojekten und Weiterentwicklung unserer eigenen Software eine der größten Herausforderungen. Natürlich ist man geneigt immer für den aktuellen Kunden eine optimale Erweiterung zu entwickeln, wichtig ist jedoch, dass man sich hierbei nicht verzettelt. Weiterhin ist die Mitarbeiterakquise in einer Stadt wie München sehr herausfordernd, neben den Großkonzernen muss man als kleineres Unternehmen immer wieder sichtbar werden und interessante Angebote machen, um für neue Mitarbeiter interessant zu bleiben.
Was waren Ihre spannendsten Projekte?
Das interessante an der Tätigkeit im Bereich der Software-Performance ist, dass der Industriekontext nicht sehr relevant für unsere Tätigkeit ist, daher bin ich über die Jahre mit unterschiedlichsten Industrien in Kontakt gekommen. Ich finde es sehr spannend, wie sehr sich die Industrien doch unterscheiden, obwohl die technischen Lösungen und Herausforderungen im Bereich der Software sich immer sehr ähneln.
Was hebt Ihr Unternehmen ab?
Es gibt weltweit sehr wenige Unternehmen, die sich im Bereich der Software-Performance auf die Messung und Modellierung des Ressourcenverbrauchs auf demselben Detail-Level wie RETIT spezialisieren, daher haben wir hier ein Alleinstellungsmerkmal am Markt.
Wie kam es im Jahr 2023 zum Wechsel an die Hochschule?
Die Idee Professor zu werden hatte ich schon seit meinem eigenen Studium und diese Idee war damals auch eine wesentliche Motivation eine Promotion anzustreben. Weiterhin hat sich das Themengebiet Performance von Softwaresystemen in den letzten Jahren auf das Thema CO2-Emissionen der IT ausgedehnt (Stichwort „Green IT“), da der Energieverbrauch von Rechenzentren mittlerweile zu ähnlich hohen CO2-Emissionen führt wie der Flugverkehr. Um diese CO2-Emissionen zu reduzieren sind die Messungen des Ressourcenverbrauchs wie es die RETIT Software ermöglicht die Basis, aber diese müssen um Stromverbrauchs- und CO2-Emissionsdaten erweitert werden. Hierfür sind aktuell noch viele offene Fragen zu klären, zu deren Klärung noch einige Forschungsaktivitäten notwendig sind, für die im täglichen Business in einem Unternehmen wenig Zeit ist. Weiterhin muss das Bewusstsein der Akteure in der IT für das Thema CO2-Emissionen sensibilisiert werden. Beide Themen lassen sich perfekt in der Rolle als Professor umsetzen, da man die Studenten für das Thema begeistern und im Rahmen der Forschungstätigkeit die offenen Fragen klären kann.
Wie finden Sie Balance zwischen Hochschule und Unternehmen?
Mit dem Schritt an die Hochschule habe ich meinen Fokus von Kundenprojekten primär auf die Weiterentwicklung der RETIT Software verschoben und kann mir somit die Zeit frei einteilen.
Welche Auswirkungen hatte Ihre Praxistätigkeit auf Ihre Lehre?
Ich kann in der Lehre immer wieder aktuelle Beispiele aus der Praxis einbinden, was den Studenten hilft die theoretischen Inhalte in einen aktuellen Kontext zu setzen.
Aus welchen Gründen arbeiten nicht mehr ProfessorInnen als UnternehmerIn mit der Wirtschaft zusammen?
In der (Wirtschafts-)Informatik kenne ich nur sehr wenige Kollegen, die nicht regelmäßig mit Unternehmen zusammenarbeiten, jedoch ist das meist auf Forschungstätigkeiten oder Tätigkeiten in der Lehre beschränkt. Ich vermute, dass für eine eigene Unternehmensgründung vielen Kollegen die Zeit neben Forschung, Lehre und privaten Verpflichtungen fehlt.
Was muss sich ändern, damit mehr ProfessorInnen diesen Schritt wagen?
Ich denke an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften wird das neu eingeführte Promotionsrecht helfen, innovative Ideen wissenschaftlich fundiert zu entwickeln und dann gemeinsam mit den Doktoranden Gründungsideen umzusetzen. Seit 2023 gibt es in Bayern darüber hinaus die Möglichkeit, als Professor zwei Gründungsfreisemester zu beantragen. Beides wird Gründungen aus Hochschulen zusätzlich fördern.
Was wären Ihre wichtigsten Tipps für Studierende, Promovierende und ProfessorInnen, die zwischen Hochschule und Wirtschaft unternehmerisch tätig werden wollen?
Ich kann allen Personengruppen nur raten, Praxiserfahrung sammeln, um relevante Probleme in der Industrie zu identifizieren. Nur für die Lösung solcher Probleme sind potenzielle Kunden bereit Geld auszugeben und darauf kommt es am Ende an.
Welches Feedback bekommen Sie von Studierenden, wenn die erfahren, dass Sie unternehmerisch tätig sind?
Die meisten Studenten finden das sehr positiv, da sie dann merken, dass die Inhalte aus der aktuellen Praxis kommen und nicht nur trockene Theorie sind.
© Stefan H. Poleck
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