Prof. Dagmar Schuller

... gründete 2012 auf der Basis von 12 Jahren Forschung als Spin-Off der TU München die audEERING GmbH, ein Unternehmen für KI-gestützte Audioanalyse und Ausdruckserkennung. 2021 wurde Sie zur Vizepräsidentin der IHK für München und Oberbayern gewählt und 2023 als Professorin für Wirtschaftsinformatik an die Hochschule Landshut berufen. Dort wirkt Sie auch als Frauenbeauftragte. Darüber hinaus spricht Sie sich für eine bedarfsgerechte Förderung für ProfessorInnen aus, die ein Unternehmen zum Erfolg führen wollen, die in Analogie zu einer Forschungsprofessur über die aktuellen Möglichkeiten des aktuellen BayHIG hinaus geht.

Autor: Stefan H. Poleck

Wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens?

audEERING wurde 2012 als Spin-Off der TU München mit der Vision gegründet, mit KI das Wohlfühlen der Menschen nachhaltig zu verbessern. Dies geschieht durch die KI-basierte Analyse der Stimme und daraus resultierende Stimmbiomarker - eine technische Revolution, die es durch die Nutzung nur eines Sensors, des Mikrofons, das in nahezu allen Geräten verbaut ist, ermöglicht, Merkmale und Zustände des Sprechers zu erkennen, die Aufschluss über das Wohlbefinden und auch mögliche Krankheitsbilder geben kann. Es wird also nicht der Inhalt dessen analysiert, was man sagt, sondern wie man etwas sagt und auch entsprechende Laute.

Inspirierend für die Idee war tatsächlich die Serie "Knight Rider" aus den 80ern, in der ein smartes Auto die Hauptrolle spielt, das eben auch erkennt, welchen Zustand der Fahrer hat und intelligent reagiert.

Das Gründerteam hatte zum Zeitpunkt der Gründung 2012 bereits gut 12 Jahre signifikante und auch bahnbrechende wissenschaftliche Arbeit in dem Bereich geleistet und publiziert. Durch die Zunahme der infrastrukturellen Möglichkeiten und die zunehmende Akzeptanz von KI war es also an der Zeit, diese Grundlagenforschung in angewandte Forschung und Produkte zu transferieren und deswegen wurde audEERING gegründet.

Was waren Ihre ersten Schritte?

Wir waren ganz pragmatisch damals. Unsere Idee, die für uns ein logischer nächster Schritt der zunehmenden Verbesserung der Spracherkennung war, war 2012 zu neu für Investoren in Deutschland. Man hatte nicht davon gehört, man konnte es nicht verstehen und das größte Problem: es hatte noch nie jemand vor uns gemacht. Also konnte es ja quasi nicht sein. Damals waren die Strukturen an der TUM auch noch nicht so unternehmerisch ausgereift wie sie jetzt sind.

Dennoch haben wir uns nicht abschrecken lassen und haben ganz einfach gebootstrapped. Das bedeutet in unserem Fall, dass wir audEERING als UG mit 500 EUR Stammkapital gegründet haben und jeder Gründer 1.500 EUR in die Hand nahm und ein Gesellschafterdarlehen gegeben hat, damit wir erste Hard/Software kaufen konnten. Das war die ganze Ausstattung von audEERING zu Beginn. Wir haben kurz darauf dann die GfK als ersten Kunden für ein größeres Projekt gewonnen und das war quasi der Start unseres Erfolges. Kurz darauf wurden wir Grand Holder eines prestigeträchtigen erc Starting Grant und konnten weitere Kunden akquirieren, die für Innovation offen waren.

Erst 2018 haben wir einen strategischen Investor an Bord genommen, als es an der Zeit war, den Standardisierungsprozess voran zu treiben und wesentlich zu wachsen.

Was hat Ihnen geholfen?

Ausschlaggebend für den Erfolg waren drei Faktoren:

a) Unsere Entschlossenheit zu beweisen, dass unsere Idee funktioniert

b) Unser hervorragendes wissenschaftliches Renommee, das seit Beginn international deutlich mehr Beachtung fand als national

c) Offenheit, Transparenz und you-get-what-you-see. Bei uns gab es nie eine Black Box bei den Ergebnissen. Wir haben durch Projektarbeiten Erfahrungen gelernt, bevor wir uns mit diesen Erfahrungen an die Standardisierung eines Produkts gemacht haben.

Was waren Ihre größten Herausforderungen?

Die größten Herausforderungen sind nach wie vor das Risiko-Mindset in Europa und strukturelle Hürden. Es gibt zu wenige Anreize für heimische Großunternehmen mit kleineren Innovationen zusammen zu arbeiten, die Strukturen sind mühsam, die Regularien umfangreich.

Wir konnten es selbst anfänglich kaum verstehen, aber es hält sich bis jetzt, dass der größte Teil unserer Kunden aus den USA und dem asiatischen Raum stammen. Diese sind allerdings sehr zuverlässig. Lokale Unternehmen sind zwar prinzipiell interessiert, kämpfen aber oft mit eigenen strukturellen Hindernissen in der Umsetzung von Innovation.

Was waren Ihre spannendsten Projekte?

Spannend sind alle unsere Projekte. Zu meinen Lieblingsprojekten zählt allerdings die Steigerung sozio-emotionaler Fähigkeiten von Kindern auf dem Autismus-Spektrum sowie die unmittelbare Integration unserer emphatischen Intelligenz für Forschungs- und Trainingszwecke in Zusammenhang mit Social Robots und Serious Gaming (VR-Training von Pflegepersonal). Es ist einfach toll, wenn in der Kommunikation besser auf einen eingegangen werden kann, es gibt ein gutes Gefühl. Auch unsere Arbeiten im medizinischen Bereich für Depression, Burnout und Multiple Sklerose Studien sind faszinierend.

Was hebt Ihr Unternehmen ab?

Wir machen Fiktion zu Realität und transferieren die Grundlagenforschung zum Produkt. Wir konzipieren nicht nur, wir machen. Wir haben eine positive Fehlerkultur und erlauben uns, neugierig zu sein. Geht nicht, geht bei uns nur so lange nicht, bis jemand kommt und es macht.

Wir sind ein internationales Team aus 15 Nationen, wir sind gelebte Kreativität und haben ein gemeinsames Ziel.

Wie kam es zur Idee, in die Hochschule zu wechseln?

Die Nähe zur Hochschule hatte ich durch die sehr stark forschungsgetriebene Arbeit bei audEERING immer. Wenn man in diesem Innovationsbereich tätig ist, muss man am Puls der Forschung bleiben, um nicht abgehängt zu werden. Ein Plateau ist im Bereich KI noch länger nicht erreicht.

Dazu kam, dass ich immer gerne mit StudentInnen gearbeitet habe. Gute Lehre und Austausch von Erfahrungen ist für mich ein ganz wichtig. Lebenslanges Lernen ist ein wichtiger Grundstein für Zufriedenheit und Entscheidungsfähigkeit und ich möchte sehr gerne mit meinen Erfahrungen und mein eigenes Lernen dazu beitragen, junge Menschen und ihre Talente zu fördern. Das kann ich an der Hochschule sehr gut umsetzen.

Wie finden Sie Balance zwischen Hochschule und Unternehmen?

Das lässt sich mit Offenheit für die Unterschiede aber auch mit dem Erkennen der Gemeinsamkeiten gut vereinbaren. Die Hochschule und das Unternehmen haben jeweils ihre Kernkompetenzen in unterschiedlichen Bereichen. Es gibt aber auch eine sehr große Schnittmenge, insbesondere an Erfahrungen.

Ich halte es für enorm wichtig, gerade an Hochschulen auch das Denken für Interdisziplinarität, Resilienz und Innovation zu fördern und das geht noch besser, wenn man die praktische Implikation gleich unmittelbar sehen kann. Der Lerneffekt ist noch einmal ein ganz anderer, positiver.

Welche Auswirkungen hatte Ihre Praxistätigkeit auf Ihre Lehre?

Ich habe dadurch die Möglichkeit, echte Beispiele zu liefern und die Anwendung der Theorie unmittelbar zu zeigen und begreiflich zu machen. In der Theorie ist vieles dargestellt, dass in der Praxis aufgrund unterschiedlicher Einflussfaktoren ganz anders läuft. Durch die Verbindung kann ich mehr Verständnis für beide Seiten schaffen und dadurch eine bessere Balance herstellen.

Zusätzlich bin ich offen für kritische Fragen und Änderungen. Die bekommt man in der Praxis jederzeit und muss lernen, auch einmal ganz anders zu agieren, wenn es die Lage erfordert. Damit lernt man ausgeglichener und neutraler auf Herausforderungen zuzugehen. Auch dieses Wissen kann ich dadurch sehr gut vermitteln.

Aus welchen Gründen arbeiten nicht mehr ProfessorInnen umfangreicher mit der Wirtschaft zusammen?

Meines Erachtens nach fehlt es nach wie vor an guten Strukturen dafür. Es ist oft abhängig von der Hochschule, wie sehr der Austausch mit der Wirtschaft generell gefördert wird. Prinzipiell kann man festhalten, dass gerade an Hochschulen beispielsweise die administrative Unterstützungsstruktur verbessert werden könnte, indem man mehr Stellen bekommt. Ein guter Transfer von Wissenschaft in Wirtschaft und umgekehrt erfordert durchdachte Prozesse, definierte Handlungsspielräume, Kommunikation, Qualitätsmanagement, etc. . Als Hochschul-ProfessorIn haben sie ja nicht nur Forschung und Lehre unter einen Hut zu bringen, sondern müssen sich oft auch selbst um viele Dinge kümmern, da Stellen fehlen, die Unterstützung liefern. Ohne diese Unterstützung ist eine Skalierung deutlich schwerer möglich.

Des Weiteren ist es oft auch mangelnde Außenkommunikation. Viele EntscheiderInnen aus Wirtschaft und Politik kennen die Arbeiten von renommierten Universitäten, die öfter in der Presse vorkommen. Es müsste zentrale Anlaufstellen oder Kommunikationsplattformen geben, die es insbesondere auch für die Wirtschaft einfach machen, nach interessanten Partnern ohne viel Aufwand zu suchen und umgekehrt auch seitens der ProfessorInnen.

Was muss sich ändern, damit mehr ProfessorInnen diesen Schritt wagen?

Es braucht umfangreichere Mittel und flexiblere Möglichkeiten für ProfessorInnen. Je stringenter es um Anwesenheiten und Zielstunden geht, umso schwieriger wird es, als ProfessorIn auch UnternehmerIn zu sein, insbesondere, wenn man aus dem Unternehmen auch eines machen möchte, das wirklich wachsen soll.

Das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz hat mit der Förderung der Gründungen schon einiges getan. Der Zeitraum von einem Jahr ist aber für den Aufbau eines Unternehmens und das nachhaltige Management dessen überschaubar. Insofern wäre ich für einen Ansatz, der ähnlich einer Forschungsprofessor mit reduziertem Lehrdeputat auch eine UnternehmerInnen-Professur für den Wissenschaftstransfer mit ebenso reduziertem Deputat, zumindest auf eine bestimmte Zeit oder mit bestimmten Benchmarks verknüpft, ermöglicht. Das würde sicherlich einen wesentlichen Unterschied machen und wäre für den Standort attraktiv und erfolgversprechend.

Was wären Ihre wichtigsten Tipps für Studierende, Promovierende und andere ProfessorInnen, die ähnlich wie Sie, an der Schnittstelle zwischen Hochschule und Wirtschaft, unternehmerisch tätig werden wollen?

Der wichtigste Tipp vorneweg: mache etwas als UnternehmerIn, das jemand braucht. Liefere mit Deinem Produkt/Service einen klaren Mehrwert. Bleibe selbst ein lernendes System und erkenne Synergieeffekte in beide Richtungen. 

Wenn Sie von Ihrer Idee überzeugt sind, dann machen Sie es.

Gehen Sie in den Austausch mit Personen, die diese Erfahrungen schon gemacht haben und seien Sie offen, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Bleiben Sie auch bei Ablehnung oder Kritik positiv. Jedes Feedback ist wertvoll und kann Sie weiterbringen.

Freuen Sie sich schon darauf, dass Sie ein spannendes Kapiel Ihres Lebens schreiben werden.

Welches Feedback bekommen Sie von Studierenden, wenn die erfahren, dass Sie unternehmerisch tätig sind?

Ich habe bisher ausschließlich positives Feedback bekommen. Sehr viele haben gefragt, wie das ist und wie das geht. Sie interessieren sich dafür, auch wenn sie selber manchmal keine Intention haben, selbst zu gründen. Die Praxisbeispiele in der Lehre sind immer top bewertet und werden als sehr wertvoll angesehen. Manche finden es aber auch einfach nur "cool", wenn ihre Professorin auch mal im TV oder in der Zeitung ist. Spannend ist auch, dass ich oft die Frage bekomme, wie man als UnternehmerIn denkt, ob das anders ist als das Denken als Professorin. Jedenfalls ist das Interesse der Studierenden daran toll und sehr positiv. Ich tausche mich gerne mit den Studierenden dazu aus.

© Stefan H. Poleck

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