Prof. Dr. - Ing. Michael Wiehl

... wurde im Februar 2021, nach mehreren Jahren als Projektleiter bei Siemens und zuletzt als CTO bei einem Entwicklungsdienstleister und Berater für Medizinprodukte und Medizintechnik, als Professor für cyberphysische Systeme an die OTH Amberg-Weiden berufen. Im Oktober 2021 gründete er zusammen mit einem Facharzt für Urologie, den er bereits aus vorhergehenden Projekten kannte, und einer weiteren Mitgründerin die CADO Medical Solutions GmbH – Anbieter einer innovativen Sofortlösung für blockierte Urinkatheter. Studierenden sowie Kolleg:innen mit Gründungsideen empfiehlt er, möglichst zügig in kleinen Schritten anzufangen und schnellstmöglich alle Bereiche eines Business Model Canvas zu beantworten.

Interviev & Autor: Stefan H. Poleck

Wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens?

Ich habe mich einem Urologen und seiner Idee für ein Medizinprodukt angeschlossen, weil ich sie sehr spannend fand. Wir haben uns in einem Projekt bei meinem damaligen Arbeitgeber, der senetics healthcare group, kennengelernt. Ein Arzt und ein Ingenieur sind ja oft eine sehr gute Kombination für die Vorentwicklung eines Medizinprodukts. Zunächst fragte er mich eher aus Spaß, und als ich dann als Professor unabhängig war, kamen wir als Geschäftspartner zusammen. Die GmbH haben wir dann zu dritt gegründet: ein Facharzt, ein Ingenieur und eine Kauffrau.

Was waren Ihre ersten Schritte?

Es gab zuvor ein Einzelunternehmen von Dr. Elsässer, das dann in der GmbH aufging. Wir haben das Produkt weiterentwickelt und die Patentierung der Kerntechnologie beantragt. Das Team wuchs, und einige Abschlussarbeiten wurden damals durchgeführt. Als sich die Eigenfinanzierung dem Ende näherte, nahmen wir am bayerischen Businessplan-Wettbewerb teil, belegten den vierten Platz und überzeugten mit unserem Konzept einen privaten Investor.

Was waren Ihre größten Herausforderungen?

Die erste Herausforderung war, unsere Lösung für jeden leicht und verständlich zu beschreiben. Während der Entwicklung stellten wir fest, dass wir ein zusätzliches Tool benötigen, welches bei der Einweisung der Anwender:innen unterstützt. Denn unsere Aufgabe ist es, das Wissen von Ärztinnen und Ärzten an Pflegekräfte sowie Patienten und deren Angehörige weiterzugeben – Stichwort Patient Empowering. Daher entwickelten wir eine Lernplattform zur strukturierten Einweisung von Laien in die eigenständige Reinigung von Kathetern mithilfe des Produkts. Die zweite Herausforderung war die Entwicklung und Umsetzung einer geeigneten Zulassungsstrategie. Diese ist komplex und hat einen großen Einfluss auf die Kostenentwicklung und den Marktzugang.

Was waren Ihre spannendsten Projekte?

Ein spannendes Projekt war die Bestandsaufnahme der Situation in der Klinik. Dabei haben wir an - direkt von Notfallpatienten aufbewahrten - Kathetern untersucht, welche Dimension und Konsistenz eine typische Katheterblockade genau hat. Dies war durch den absoluten Bezug zur medizinischen Realität tatsächlich fast interessanter als die Entwicklung des mobilen mechatronischen Geräts selbst. Vor allem in dem Moment, als uns klar wurde, dass wir weltweit an der Speerspitze der Forschung auf diesem Feld stehen. Wir haben nun exklusiv die neuesten Forschungsergebnisse in der Schublade. Dieses Know-how ist für den Markterfolg des Produkts unerlässlich.

Was hebt Ihr Unternehmen ab?

Aktuell kann man kaum von Wettbewerb sprechen. Wir sind so innovativ, dass wir derzeit der einzige Anbieter von Reinigungssets für Urindauerkatheter wären. Bisher konnte man im Notfall natürlich versuchen, einen Katheter mit einer Kochsalzlösung zu spülen, aber das funktioniert eben oft nicht. Die Standardprozedur ist deshalb aktuell, den Patienten ins Krankenhaus zu bringen, um den Katheter zu wechseln und ihn dann zurückzufahren, was für alle Beteiligten viel aufwändiger ist. Das Produkt löst die Blockade in wenigen Minuten und erspart damit Angehörigen und Pflegekräften den Krankentransport. Das führt zu einer Kostenersparnis von 80 % und entlastet zudem die knappen Kapazitäten bei Rettungsdiensten und im Krankenhaus.

Welche Auswirkungen hatte Ihre Praxistätigkeit auf Ihre Lehre?

Im Kurs Projektmanagement kann ich Projektbeispiele aus der Industrie oder unserem Start-up einfließen lassen. Bei Entwurf von Systemen bringe ich viele Beispiele aus der Produktentwicklung mit ein. So lernen Studierende bei mir stets aktuelle „Best-Practices“.

Warum arbeiten nicht mehr Professor:innen unternehmerisch mit der Wirtschaft zusammen?

Einige sind sehr stark auf Wissenschaft fokussiert und möchten ausschließlich forschen. Dann gibt es auch Schwerpunktbereiche, die für Unternehmertum weniger geeignet sind. Schließlich ist es auch eine Typfrage, ob man sich neben der Lehre mit Dingen wie Marketing oder Vertrieb eines Produkts beschäftigen möchte.

Was müsste sich ändern, damit mehr Professor:innen diesen Schritt wagen?

Eine gute Startup-Beratung hilft – ideal wäre eine speziell für Professor:innen. Heute richtet sich diese fast ausschließlich an Studierende. Im Vergleich dazu sind Professor:innen stärker auf ihre Schwerpunkte fokussiert, verfügen bereits über Praxiskontakte und haben mehr Berufserfahrung. Gleichzeitig ist das persönliche Netzwerk ein anderes, und es ist nicht immer einfach, eine:n Mitgründer:in mit kaufmännischem Schwerpunkt zu finden. Vernetzung mit anderen Personen ist aber sehr wichtig für den Erfolg eines Unternehmens. Anträge auf Fördermittel helfen auch, um die ersten Schritte zu gehen, da die Geschäftsidee dabei einer ersten Prüfung durch Fachleute unterzogen wird und dadurch ein gutes Feedback entsteht.

Welche Tipps haben Sie für Studierende, Promovierende oder auch Professor:innen, die zwischen Hochschule und Wirtschaft unternehmerisch tätig werden wollen?

Ich würde sagen: einfach machen! Möglichst in kleinen Schritten anfangen und prüfen, ob die Idee tragfähig ist. Ich bin ein großer Fan des Business Model Canvas, weil dort auf einer Seite alles Wichtige steht. Wenn man etwas nicht ausfüllen kann, fehlt etwas Wesentliches für eine mögliche Realisierung der Geschäftsidee. Ein typisches Szenario: Ich beherrsche als Wissenschaftler die Technik, weiß, wer das Produkt nutzen soll, habe aber keine Ahnung, wie ich damit Geld verdienen will. Dann sollte ich als Gründer:in versuchen, diese Frage als Nächstes zu beantworten und die Geschäftsidee immer wieder auf die Probe zu stellen.

Welches Feedback erhalten Sie von Studierenden, wenn sie erfahren, dass Sie auch unternehmerisch aktiv sind?

Direktes Feedback dazu habe ich noch nicht bekommen. Aber immer, wenn ich Projekte an Studierende vergebe, nehme ich viel Begeisterung wahr, weil es eben um konkrete Praxisherausforderungen geht und nicht um akademische Trockenübungen.

© Stefan H. Poleck

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