... gründete 2013 mit zwei Mitgründern die Akanoo GmbH, die aus Onlineshop-Besuchenden möglichst profitable Kaufende macht. 2017 wurde er als Professor für E-Commerce an die Fachhochschule Wedel berufen und verantwortet dort als Studiengangsleiter die thematisch verbundenen Bachelor- und Master-Programme. 2023 wurde er als UNIPRENEUR ausgezeichnet.
Interview und Autor: Stefan H. Poleck
Wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens?
Ich hatte schon als Kind Kunden-Kontakt und eine riesige Telex-Maschine im Keller, weil mein Vater Groß- & Außenhandels-Unternehmer war. Das prägt. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Hamburg habe ich mit Studierenden Gründungsideen entwickelt. Am Semesterende gab es immer einen Pitch vor einer Jury. Dort saß auch ein Multi-Asset-Investor, dem meine Kommentare gefallen haben. Und der hat mich dann auf eines seiner Digital Marketing Investments angesprochen. So traf ich das Gründerduo und wir haben uns sehr gut verstanden. Einer ist Physiker und der andere hatte einen vertrieblichen Hintergrund. Und ich, der im Innovationsmanagement Promovierte mit kleinen Informatikeinschlag dazwischen. So begannen wir die Gründung von AKANOO. Wir waren in der komfortablen Lage, da uns dieser Investor ein Gehalt gezahlt hat.
Was waren Ihre ersten Schritte?
Wir haben verschiedene Dinge ausprobiert, im Bereich Digital Commerce, Cloud-basierte Softwarelösungen und sind schnell auf das Bedürfnis nach Personalisierung bei E-Commerce-Unternehmen gestoßen. Der Weg dahin war aber zunächst eine kalte Dusche, weil ich nach der Universität das erste Mal richtig verkaufen musste. Gehört werden, Bedürfnisse erkennen und passend reagieren, um in einen langfristigen Dialog einzutreten, ist ein Marathon. So haben wir die ersten Pilot-Projekte gewonnen, um eine Lösung zu bauen, um die Besucher des Onlineshops individuell anzusprechen. Wir durften experimentieren, eine Marketing-Automatisierungslösung entwickeln und haben dann weitere, auch ganz andere Kunden gewinnen können. Es war sehr, sehr iterativ, mit sehr viel Vertrauen von unserem Investor, der gesagt hat, die drei Jungs, die haben was drauf, die kriegen das hin.
Was hat Ihnen am meisten geholfen?
Uns hat das heterogene Gründungsteam enorm geholfen. Der Mitgründer mit Vertriebs-Erfahrungen hat mir als Promoviertem den Einstieg in die Kundengewinnung sehr erleichtert. Es war enorm wichtig, sich vom eigenen Wunschdenken zu lösen und auf den konkreten Kundenbedarf zu konzentrieren. Wir haben uns zu dritt sehr gut komplementär ergänzt: sehr ausgeprägtes technisches Verständnis, gute Fähigkeiten, Kundenbedürfnisse zu erkennen und dann im Kundendialog eine passende Lösung zu entwickeln.
Was waren Ihre größten Herausforderungen?
Die steile Lernkurve habe ich sehr angesprochen. Diese kalte Vertriebsdusche, die eigenen Wunschvorstellungen immer wieder beiseitezustellen und sich auf Kundenbedürfnisse zu konzentrieren. Das passende Personal zu finden, gerade im B2B-Vertrieb. Die Kehrseite unserer komfortablen Finanzierung mit Festgehalt waren dann die Verhandlungen mit weiteren Geldgebern, weil die nach üblichen Kriterien schon zu viele Anteile bei einem Investor lagen. Das war für die weitere Wachstums-Finanzierung sehr schwierig.
Was waren Ihre spannendsten Projekte?
Ganz tolle Kundenprojekte und -beziehungen mit Unternehmen wie Bayern München, Zalando oder der Otto-Gruppe. Es ist uns auch gelungen, den Markt ein wenig zu erziehen. Das hat aber auch bedeutet, dass wir teilweise Monate, manchmal auch Jahre mit Kunden in Dialogen waren, bis sie bereit waren, unsere Technologie zu adaptieren. Das war sehr leidvoll, aber das hat auch unglaublich viel Spaß bereitet: In kleinen Schritten weiterzukommen und am Ende dann bei Vertrags-Schluss die Glocke läuten zu können. Ebenso der Finanzierungs-Prozess und die Internationalisierung - es gibt sehr viele Dinge, die im Rahmen unserer Entwicklung aufregend und toll waren.
Was hob Ihr Unternehmen ab?
Wir haben zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine data-driven Lösung für E-Commerce entwickelt. Im Gegensatz zu der im kreativen Marketing-Umfeld üblichen Vorgehensweise. Mit uns wurden vorliegenden Daten genutzt, um Kunden ganz individuell anzusprechen.
Wie kam es 2017 zur Idee, in die Hochschule zu wechseln?
Die Idee, an eine Fachhochschule zu gehen, hatte ich schon irgendwann im Hauptstudium an der Uni, weil ich einen Bericht über das Leben von zwei FH-Professoren gelesen hatte. Wie sie praxisorientiert lehren, tolle Studierende begleiten und im Beruf und nebenbei unternehmerisch tätig sein können. Diese Kombination von „junge Menschen besser machen“ und gleichzeitig eigenen unternehmerischen Ideen OHNE 100 % Risiko nachzugehen, hat mich früh angesprochen. 2017 gab die Ausschreibung für die Leitung eines Studiengangs, der gut zu meiner beruflichen Erfahrung passte. Gleichzeitig waren wir vier Jahre nach der Gründung an einem Punkt, wo das Wachstum des Unternehmens etwas nachließ und frischer Wind durch neue Führung richtig war.
Wie finden Sie Balance zwischen Hochschule und Unternehmen?
Bei mir passt das eigentlich ziemlich perfekt. Ich habe eine Vollzeitanstellung als Professor an einer privaten, gemeinnützigen und staatlich geförderten Fachhochschule, bin also kein Beamter. Deshalb kann ich mit meinem Präsidenten individuelle Vereinbarungen treffen, was ich nebenbei in welchem Umfang mache und wie sich das positiv auf meine Rolle als Professor auswirkt. Also de facto bin ich einen Tag die Woche oder acht Stunden zusätzlich die Woche irgendwie unternehmerisch tätig. Mal an einem Tag gebündelt, mal am Wochenende, mal nach Feierabend. Hierzu betreibe ich auch eine kleine Holding, über die ich mich an Start ups beteilige, ab und zu bin ich auch operativ dabei.
Welche Auswirkungen hat Ihre Praxistätigkeit auf Ihre Lehre?
Sie prägt meine Lehre insofern, dass meine Studierenden immer etwas Praxisbezogenes machen müssen. Es gibt bei mir kein Modul ohne Gruppenprojekte, in denen Zielgruppen, Kundenbedürfnisse und/ oder Markt eine Rolle spielen. Das sind teils auch interdisziplinäre Gruppenarbeiten, in denen eine Website, eine App oder eine Dienstleistung mit einer Marketingkampagne an den Markt gebracht werden soll. Wir üben und kontrollieren, ob wir es schaffen, unsere Zielgruppe abzuholen und diese zu begeistern.
Aus welchen Gründen arbeiten nicht mehr Hochschul-ProfessorInnen umfangreicher mit der Wirtschaft zusammen?
Das ist eine Gemengelage an Ursachen, die da eine Rolle spielen. Unternehmerisches Handeln spielt in großen Teilen der akademischen Ausbildung keine bzw. eine untergeordnete Rolle. Weder im Bachelor, im Master noch während der Promotion. Das „Auf Kunden zugehen“, Bedürfnisse erfragen, sich die Hände schmutzig machen, das findet allenfalls in einem künstlichen Raum statt. Das ist ein großer Hinderungsgrund für mehr unternehmerische Aktivität aus Hochschulen. In den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen sieht man mehr Praxisbezug durch das Verbessern von industriellen Prozessen. Dem folgen dann auch vermehrt akademische Ausgründungen. Der andere Punkt ist die Berufungspraxis. Da zählen weiterhin Publikationen und die akademische Tätigkeit viel. Man könnte unternehmerischer Transfertätigkeit einen höheren Stellenwert einzuräumen.
Was muss sich ändern, damit mehr ProfessorInnen diesen Schritt wagen?
Ein wichtiges Element könnten hochschulübergreifende Graduiertenkollege für wissenschaftliche MitarbeiterInnen sein, wo gelernt und geübt wird, eigenständig Mittel für unternehmerische Transferprojekte zu akquirieren und interdisziplinär zu entwickeln. So sensibilisiert man den Nachwuchs für Unternehmertum und qualifiziert gleichzeitig besser für die wirtschaftliche Praxis. Denn die wenigsten werden letztlich als ProfessorIn berufen. Das Zweite wären Anreize für ProfessorInnen, wenn ihre Mitarbeitenden oder ihre Studierenden idealerweise unter ihrem Zutun erfolgreich gründen.
Was wären Ihre wichtigsten Tipps für Studierende, Promovierende und ProfessorInnen, die zwischen Hochschule und Wirtschaft unternehmerisch tätig werden wollen?
Einfach machen, loslegen. So viele Programme bieten eine gewisse finanzielle Sicherheit, um den Start zu wagen. Für Studierende und Promovierende gibt es keinen besseren Zeitpunkt zum Gründen als unmittelbar nach dem Studium bzw. während der Zeit als wissenschaftlich Mitarbeitende. Zu dieser Zeit gibt es meist wenig Verpflichtungen durch große Kredite, Partner oder Familie. Man wird sicherlich leiden, jedoch gleichzeitig sehr schnell sehr viel Verantwortung übernehmen, lernen und die Wirkung des eigenen Tuns erleben. In meinen Augen gibt es kaum eine bessere Qualifizierungsmaßnahme für alle weiterführenden Aufgaben in einer freien Wirtschaft.
Welches Feedback bekommen Sie von Studierenden, wenn die erfahren, dass Sie unternehmerisch tätig sind?
Um bei Studierenden Gründungsgeist und Begeisterung zu wecken ist eine gewisse Vorbildfunktion wichtig. Das sehe ich bei meinen Studierenden, wenn ich in Gründungsberatungen dabei bin und in den gründungsorientierten Veranstaltungen für das Thema sensibilisiere und qualifiziere. Ich hoffe, dass wir noch viel mehr werden: Studierende, die eine Gründung wagen, ProfessorInnen mit Gründungsgeist und ProfessorInnen mit echter Gründungserfahrung.
Zur Entwicklung innovativer Lösungen bietet die Fachhochschule Wedel vielfältige Kooperationsmöglichkeiten. Interessierte Unternehmen wenden sich gerne an:
Fachhochschule Wedel, Startup Bridge
startupbridge@fh-wedel.de
www.fh-wedel.de/studieren/information/gruenden/
© Stefan H. Poleck
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