... Prof. Dr. Bernd Hindel gründete 1994 mit einem Partner die 3Soft QM GmbH. 2001 gründete er die Method Park Holding AG, mit der er 2004 in den amerikanischen Markt eintrat. 2021, das Unternehmen beschäftigte mit Töchtern über 270 Mitarbeitende in Erlangen, Frankfurt, Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Detroit, Miami, Pittsburgh und Shanghai, verkaufte er als Mehrheitsgesellschafter seine Anteile an UL solutions, USA.
Seit 1993 hält er Vorlesungen an der FAU Erlangen und wurde 2001 zum Honorar-Professor berufen. Darüber hinaus rief er 1996 den ASQF e.V. ins Leben und war bis 2007 dessen Präsident. Er ist Mitbegründer des iNTACS e.V. (international Assessor Certification Scheme für SPICE Assessoren). Als Mitglied des DIN-Institutes war Prof. Hindel von 2003 bis 2009 Obmann für Software und Systems Engineering Standards und vertrat in dieser Rolle Deutschland bei der ISO/IEC JTC1 SC7.
Interview und Autor: Stefan H. Poleck
Wie ist es zur Gründung Ihres Unternehmens gekommen?
Mit der 3Soft QM ging mein Leben als Unternehmer los. Nach meiner Promotion war ich bei Siemens. Nach zweieinhalb Jahren ging dort wegen Beförderungsstau nichts weiter. Beim Tennis traf ich einen Unternehmer mit 15 Software-Entwicklern. Letztlich haben wir gemeinsam zunächst eine Schwester seines Unternehmens gegründet. Nach neun Monaten hatte ich neun Mitarbeiter und dieser Unternehmer war so überzeugt, dass man meine „Probezeit“ viel schneller beendet und beide GmbHs verschmolzen hat. So wurde ich einer der drei Gesellschaftern der 3Soft, die wir dann auf 120 Leute ausgebaut haben. Wir hatten damals mehrere Produktideen - und wenn drei abstimmen, dann geht es auch mal 2 zu 1 aus. Meine Produktidee wurde nicht genommen. So kam es 2001 zur Gründung der Method Park. 15 Mitarbeiter der 3Soft sind mitgegangen und haben mit mir ein Webportal für Engineering-Prozesse gebaut. Nach 20 Jahren und mit 270 Mitarbeitenden ist Stages Marktführer für Prozesse in der Automobilindustrie und wir haben auch viele Kunden in Luft-, Raumfahrt- und Bahntechnik.
Wie haben Sie so schnelles Wachstum erreicht?
Am Anfang sind Netzwerke besonders wichtig. Bei Siemens hatte ich schnell viele Bereiche kennengelernt und auch ehemalige Kommilitonen getroffen. Ein tolles Netzwerk. Über so einen Kontakt habe ich von einem großen Projekt erfahren: Software testen, die für Siemens Medizintechnik in Indien entwickelt wurde. Über meine Kontakte zur Universität konnte ich schnell gute Leute finden. Das Projekt lief dann über 15 Jahre. Der erfolgreiche Start dank Netzwerk am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, mit den richtigen Bekannten. Dann folgte Siemens Automatisierungstechnik. Um weitere Kunden zu gewinnen, habe ich viele Vorträge über Softwarequalität gehalten und wurde dabei auch von der EU gefördert. Anfangs in Franken und später bundesweit.
Was hat Ihnen neben dem Netzwerk sonst noch geholfen?
Der enge Kontakt zur Universität. Dank der neugierigen Professoren an der FAU Erlangen gab es immer wieder Kooperationen, Förderprojekte mit Industriepartnern und Mittelstand. Wir waren auch immer in Förderprojekten aktiv. Das hilft auch sehr bei der Personal-Gewinnung
Was waren mit der Method Park Ihre größten Herausforderungen?
Es waren immer wieder bestimmte Wachstums-Phasen. Eine Schwelle war z.B. zwischen 40 und 50 Mitarbeitenden. Wir hatten eine belastbare Vertrauenskultur, aber weiteres Wachstum verlangte neue Strukturen und eine zusätzliche Führungsebene. Das war Neuland, auch weil man am Anfang das so nicht plant. Das Gleiche passiert dann wieder jenseits der 100. Hinzu kommen weitere Standorte. Kauft man dazu oder etabliert man das selbst? Ein weiterer Schritt war 2004 in die USA, dem größten Softwaremarkt. Wir haben unser US-Branding mit Seminaren aufgebaut, bevor unser Produkt fertig war. Von 2004 bis 2009 haben wir fleißig Seminare gehalten und uns dort in der Szene bekannt gemacht. 2009 kamen die ersten Produktumsätze.
Was waren Ihre spannendsten Projekte?
Die spannendsten Projekte haben immer auch mit anderen Kulturen zu tun. Z.B. in China, die jetzt in Sachen Elektromobilität mit Riesenschritten vorankommen. Die Start-ups hatten sehr viel Geld und haben Leute von Continental, BMW, Audi und Volkswagen abgeworben. Wir saßen in einem riesigen Start-up und durften Prozessberatung machen. Jeder wusste genau, wie man es macht, nur: es waren sehr viele. Ein so großes Team von Experten dann auch noch mit einem chinesischen Management zusammenzubringen, war eines unserer spannendsten Projekte. Oder die Entwicklung der Software für ein Analysegerät der Medizintechnik. Anfangs war es nur für Afrika bestimmt und sollte bei einem Preis von unter 500 Dollar mindestens 20 Krankheiten anhand von Bluttests in weniger als einer Stunde erkennen. Dann heißt es plötzlich: Covid. Wir haben alles umgeplant und waren dann das zweite Gerät, das in den USA bei der FDA zugelassen wurde. Sehr spannend: alle im Home-Office, in UK, in den USA und in Erlangen, immer unter Zeitdruck und hoch agil.
Was hebt die Method Park ab?
Menschen und Lernen standen für uns immer im Mittelpunkt. Mit unseren Kunden haben wir nicht nur Software, sondern auch eine gemeinsam lernende Organisation entwickelt. So haben wir viel gelernt und der Kunde hat viel gelernt. Nur so konnten wir unsere Kunden befähigen, nach einer gewissen Zeit ohne uns weiterzumachen. Das stärkt das Netzwerk, weil man viele verschiedene Kunden hat und dafür sind wir mit dem Gründerpreis in der Kategorie Aufsteiger ausgezeichnet worden. Weil wir auf drei Kontinenten schnell viele Kunden gesammelt haben. Unsere Ingenieure hatten viel Freiraum, um sich wechselseitig in Workshops auszuprobieren. So entstand aus gegenseitig voneinander lernen u.a. auch ein „Method Park Certified Engineer“.
Wie haben Sie Balance zwischen Vorstandsvorsitz und Universität gefunden?
Dazu gehört unbedingt eine sehr gute Führungsmannschaft. Dann kann man sich tageweise, teils wochenweise herausziehen. Wir waren operative Vorstände, haben selber Beratungsprojekte begleitet und Kunden beraten. Das setzt voraus, dass man auch mal für eine Woche oder zwei Wochen in ein Beratungsprojekt abtauchen kann. Und genauso konnte ich dann für eine Woche lang Vorlesung halten. Wir haben auch viele Mitarbeiter ermuntert, Vorlesungen aufzubauen und hatten so bis zu elf Dozenten.
Welche Bedeutung hat Ihre Praxis für das, was Sie lehren?
In den Evaluationen sticht hervor, dass die Studenten gerne praxisorientierte Inhalte hören. Ich frage gerne am Anfang einer Vorlesung: Warum sind Sie heute in dieser Vorlesung? Da wird häufig als Grund der Praxis-Bezug genannt. Und da bin ich natürlich stolz darauf.
Warum gibt es nicht mehr Professoren, die umfangreicher mit der Wirtschaft zusammenarbeiten?
Den hauptamtlichen Kollegen wird sehr viel Verwaltung ausgelastet. Das bindet viel Energie und Kreativität. Wenn man mehr bewegen will, braucht man mehr Freiheitsgrade. Die Amerikaner zeigen, wie das möglich wäre: Sponsoring aus der Industrie durch Alumni. Dort dürfen die Mittel viel freier verwendet werden.
Was muss sich ändern, damit mehr Professoren diesen Schritt wagen?
Ich würde mir wünschen, dass hauptamtliche Hochschullehrer Sabbaticals in der Praxis verbringen. Es bringt viel, mal richtig in der Unternehmenswelt mitzuarbeiten. Das wird viel zu wenig gemacht. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Ausgründungen und Unternehmertum intensiver gefördert würden. Es muss nicht gleich die Größenordnung annehmen, wie an der TU München, aber die Richtung passt. Zusätzlich könnte man auch die Nebentätigkeit von Assistenten aktiv fördern, statt durch Bürokratie zu erschweren.
Wie weit bekommen die Studierenden auch das Unternehmerische mit?
Ich glaube schon, weil immer wieder Studierende nach Bachelor- oder Masterarbeiten fragen. Teilweise dauert die Zusammenarbeit dann bis über die Promotion hinaus.
Was würden Sie Informatik-Studierenden raten, die einen ähnlichen Weg wie Sie gehen wollen?
Unbedingt Netzwerke nutzen, die an der Universität, durch die Gesellschaft für Informatik oder andere Fachgesellschaften angeboten werden. Dort kann man Praktiker treffen und es ergeben sich Chancen, in die Praxis reinzuschnuppern. Insbesondere, wenn man sich für später beide Welten offenhalten möchte.
Und die Promovierenden?
Hier wäre eine Promotion im Rahmen eines Förderprojektes mit Industriebeteiligung interessant. So hält man sich beide Welten offen: akademische Laufbahn UND den Einstieg in die Industrie.
Und was würden Sie dem jungen Professor empfehlen, der noch ein bisschen mehr aus seiner Position machen möchte?
Man könnte mit einem Sabbatical im Mittelstand beginnen. Weil man dort viel näher an einer eigenen Gründung ist. Wenn man sieht, wie ein Mittelständler agiert und arbeitet, kommt vielleicht die Lust, das selbst zu machen.
© Stefan H. Poleck
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